Pflegeplanung im Griff: Ein praktischer Ratgeber für Pflegefachkräfte und Angehörige
In Deutschland gibt es aktuell fast 4,96 Mio. (Stand 2021) pflegebedürftige Menschen – Tendenz steigend.
Diese immense Zahl verdeutlicht die wachsende Herausforderung, die Pflege dieser Menschen zu bewältigen. Sowohl Pflegefachkräfte als auch Angehörige stoßen im Pflegealltag an ihre Grenzen.
Pflegefachkräfte sehen sich mit Zeitmangel, komplexen Pflegeproblemen und hoher Arbeitsbelastung konfrontiert. Angehörige, die ihre pflegebedürftigen Familienmitglieder zu Hause versorgen, müssen oft enorme Kraftanstrengungen unternehmen und gleichzeitig ihren eigenen Alltag bewältigen.
In dieser anspruchsvollen Situation erweist sich die Pflegeplanung als ein unverzichtbares Instrument. Sie hilft dabei, die Pflege systematisch zu planen, die Qualität der Pflege zu verbessern und die Belastung aller Beteiligten zu verringern.
Doch wie erstellt man eine gute Pflegeplanung? Was sind die wichtigsten Punkte, die dabei zu beachten sind? Dieser Text möchte eine kompakte Handreichung für dieses komplexe Thema darstellen und Pflegekräften wie auch Angehörigen die wichtigsten Informationen übersichtlich vermitteln.
Was ist eigentlich Pflegeplanung?
Pflegeplanung ist der strukturierte Prozess zur Erfassung individueller Pflegebedürfnisse, Festlegung von Zielen und Planung von Pflegemaßnahmen für Pflegebedürftige. Sie wird von Pflegefachkräften durchgeführt und dient der Gewährleistung einer hochwertigen, bedarfsgerechten und professionellen Pflege.
Die Pflegeplanung baut auf dem Pflegeassessment auf, das die systematische Erhebung und Bewertung des Pflegebedarfs umfasst. Während sich das Pflegeassessment auf die Bestandsaufnahme des Pflegebedarfs konzentriert, geht die Pflegeplanung einen Schritt weiter und umfasst die Planung konkreter Maßnahmen zur Deckung eben jenes Pflegebedarfs.
Der Pflegeplan ist das schriftliche Ergebnis der Pflegeplanung. Er dokumentiert die individuellen Pflegebedürfnisse des Pflegebedürftigen, die definierten Pflegeziele, die geplanten Pflegemaßnahmen sowie die Evaluation der Pflegemaßnahmen und dient als Leitfaden für die tägliche Pflege.
Der Pflegeplan ist ein wichtiges Dokument für die Kommunikation zwischen Pflegefachkräften, Angehörigen und anderen Berufsgruppen. Daher sollte er regelmäßig überprüft und die Pflegeplanung gegebenenfalls angepasst werden, um den sich verändernden Bedürfnissen des Pflegebedürftigen Rechnung zu tragen.
Wer schreibt die Pflegeplanung?
Dass nur Pflegefachkräfte die Pflegeplanung schreiben dürfen, liegt an der hohen fachlichen und rechtlichen Verantwortung, die damit verbunden ist. So soll sichergestellt werden, dass die Pflegeplanung auf fundiertem Wissen basiert und den hohen Qualitätsstandards der Pflege entspricht.
Angehörige und andere an der Pflege beteiligte Personen können jedoch in den Prozess der Pflegeplanung einbezogen werden. Ihre Erfahrungen und ihr Wissen können wertvolle Beiträge zur Erstellung eines individuellen Pflegeplans liefern.
Abhängig von der individuellen Situation können auch andere Berufsgruppen an der Erstellung von Pflegeplanungen beteiligt sein, z. B. Ärzte, Therapeuten und Sozialarbeiter – die Gesamtverantwortung liegt aber immer bei den Pflegefachkräften.
Pflegeplanung schreiben in 6 Schritten: So wird eine Pflegeplanung erstellt
Das bereits angesprochene Pflegeprozessmodell nach Fiechter und Meier umfasst sechs aufeinanderfolgende und aufeinander aufbauende Phasen und ermöglicht es Pflegefachkräften, die Bedürfnisse und Ressourcen des Pflegebedürftigen systematisch zu erfassen, konkrete Pflegeziele zu formulieren, geeignete Pflegemaßnahmen zu planen, die Pflegemaßnahmen durchzuführen, die Wirksamkeit der Pflegemaßnahmen zu überprüfen und die Pflegeplanung bei Bedarf anzupassen.
Ziel ist es, umfassende Informationen über den Pflegebedürftigen, seine Bedürfnisse, Ressourcen und seine aktuelle Lebenssituation zu sammeln.
Dafür stehen verschiedene Informationsquellen zur Verfügung:
- Pflegeanamnese: Erhebung der Pflegegeschichte und der aktuellen Beschwerden des Pflegebedürftigen
- Ärztliche Anamnese: Auswertung der medizinischen Befunde und Pflegediagnosen
- Beobachtung und Befragung des Pflegebedürftigen: Einschätzung der körperlichen, psychischen und sozialen Beeinträchtigungen sowie der Ressourcen des Pflegebedürftigen
- Sichtung von Pflegeberichten und Dokumentationen: Auswertung vorhandener Pflegeberichte, Arztbriefe und anderer relevanter Dokumente
- Einbeziehung von Angehörigen und ggf. weiteren Bezugspersonen: Gespräche mit Angehörigen und anderen Bezugspersonen können wichtige zusätzliche Informationen liefern
Die gesammelten Informationen bilden die Grundlage für die weitere Pflegeplanung.
Pflegeprobleme sind Beeinträchtigungen oder Einschränkungen in der Selbstständigkeit und Lebensführung des Pflegebedürftigen, die durch die Pflege behoben oder gelindert werden können.
Bei der Identifizierung der Pflegeprobleme ist es wichtig, zwischen Pflegeproblemen und Aktivitäten des täglichen Lebens (AEDL, Aktivitäten und existenzielle Erfahrungen des Lebens) abzugrenzen.
AEDL sind grundlegende Tätigkeiten des täglichen Lebens und umfassen 13 verschiedene Kriterien:
- Kommunizieren
- Sich bewegen
- Vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten
- Sich pflegen
- Essen und Trinken
- Ausscheiden
- Sich kleiden
- Ruhen und Schlafen
- Sich beschäftigen
- Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten
- Für eine sichere Umgebung sorgen
- Soziale Bereiche des Lebens sichern
- Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen
Diese Tätigkeiten können zwar durch die Pflege unterstützt werden, sollten aber grundsätzlich vom Pflegebedürftigen selbst ausgeführt werden, soweit dies möglich ist.
Die Pflegeziele sollten SMART sein, d. h.
- spezifisch
- messbar
- attraktiv
- realistisch und
- terminiert
Bei der Formulierung der Pflegeziele ist es wichtig, die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu berücksichtigen.
Die Pflegeziele sollten mit dem Pflegebedürftigen, seinen Angehörigen und ggf. weiteren Bezugspersonen abgestimmt werden.
Die Pflegemaßnahmen sollten individuell auf den Pflegebedürftigen abgestimmt sein und unter seiner Mitwirkung durchgeführt werden können.
Bei der Planung der Pflegemaßnahmen ist es wichtig, die Ressourcen des Pflegebedürftigen und die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.
Die Pflegedokumentation sollte klar, verständlich und lückenlos sein.
Sie sollte alle relevanten Informationen über den Pflegebedürftigen, die Pflegeprobleme, die Pflegeziele, die Pflegemaßnahmen und die Evaluation der Pflegemaßnahmen enthalten.
Die Dokumentation der Pflegeplanung dient der Qualitätssicherung und ermöglicht es, die Pflegemaßnahmen bei Bedarf anzupassen.
Sie dient der Überprüfung, ob die Pflegeziele erreicht wurden und ob die Pflegemaßnahmen wirksam sind.
Die Evaluation sollte regelmäßig durchgeführt werden. Dafür können verschiedene Instrumente eingesetzt werden, z. B. Beobachtungsbögen, Checklisten oder Fragebögen.
Die Ergebnisse der Evaluation werden zur Anpassung der Pflegeplanung genutzt.
Herausforderungen und Lösungsansätze in der Pflegeplanung
Die Erstellung einer individuellen und hochwertigen Pflegeplanung ist anspruchsvoll und kann durch die vielschichtigen Anforderungen der Pflegepraxis und begrenzte Ressourcen im Alltag erschwert werden. Zeitdruck, komplexe Pflegeprobleme, Kommunikationsschwierigkeiten und der Dokumentationsaufwand sind häufige Bereiche mit Verbesserungspotenzial.
Der Zeitmangel ist eine der größten Herausforderungen in der Pflege. Pflegefachkräfte haben oft nicht genügend Zeit, um eine umfassende Pflegeplanung zu erstellen und diese regelmäßig zu überprüfen.
Lösungsansätze:
- Strukturierung der Pflegeplanung: Die Verwendung eines strukturierten Modells zur Erstellung der Pflegeplanung kann den Zeitaufwand reduzieren.
- Nutzung von Hilfsmitteln: Es gibt verschiedene Hilfsmittel, die die Erstellung der Pflegeplanung erleichtern können, z. B. Checklisten, Vorlagen und elektronische Dokumentationssysteme.
- Delegation von Aufgaben: Einige Aufgaben wie die Erfassung von Basisinformationen u. ä. können an andere Personen, z. B. Auszubildende oder Pflegehilfskräfte, delegiert werden.
Lösungsansätze:
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, z. B. Ärzten, Psychologen und Physiotherapeuten, kann helfen, komplexe Pflegeprobleme besser zu verstehen und zu bewältigen.
- Fachliche Weiterbildung: Regelmäßige Fortbildungen und Schulungen ermöglichen es Pflegefachkräften, ihr Fachwissen auf dem Gebiet der Pflegeplanung zu aktualisieren und zu erweitern.
Lösungsansätze:
- Sensibler Umgang mit dem Pflegebedürftigen und seinen Angehörigen: Pflegefachkräfte sollten den Pflegebedürftigen und seine Angehörigen mit Respekt und Einfühlungsvermögen behandeln.
- Verständliche Sprache verwenden: Pflegefachkräfte sollten verständliche Sprache ohne zu viele Fachbegriffe verwenden, die der Pflegebedürftige und seine Angehörigen verstehen können.
- Einsatz von Dolmetschern: Bei Bedarf sollten Dolmetscher eingesetzt werden, um sprachliche Barrieren zu überwinden.
- Nutzung elektronischer Dokumentationssysteme: Elektronische Dokumentationssysteme können den Dokumentationsaufwand reduzieren und die Lesbarkeit der Pflegeplanung verbessern.
- Standardisierung der Dokumentation: Die Verwendung standardisierter Dokumentationsbögen kann den Dokumentationsaufwand reduzieren.
- Delegation von Aufgaben: Im Rahmen des bereits angesprochenen Zeitmanagements kann es sinnvoll sein, Aufgaben wie die Übertragung der Daten aus den Pflegeberichten in das EDS zu delegieren.
Um qualitativ hochwertige Pflegeplanungen schreiben und Pflege leisten zu können, ist es entscheidend, sich dieser Problematiken und möglicher Lösungen bewusst zu sein. Dabei sollten die gewählten Lösungsansätze immer individuell auf die jeweilige Situation und Pflegeeinrichtung bzw. den jeweiligen Pflegedienst zugeschnitten sein.