Die Pflegeversicherung (SGB XI) – mit welcher Unterstützung können Sie rechnen?
„Die pflegerische Versorgung der Bevölkerung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
Dies ist eine der wesentlichen Kernaussagen des Pflegeversicherungsgesetzes gemäß SGB XI. Die Pflegeversicherung, die am 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist, ist somit als 5. Säule der Sozialversicherung in Deutschland zu verstehen. Ihre Aufgabe ist es, Pflegende und insbesondere Pflegebedürftige zu unterstützen. Grundsätzlich hat jeder Pflegebedürftige Anspruch auf Pflegehilfsmittel, Pflegegeld, teil- und vollstationäre Pflege sowie auf häusliche Pflege durch qualifizierte Fachkräfte. Die Pflegeversicherung springt auch ein, wenn der pflegende Angehörige seine Berufstätigkeit unterbrechen muss. Ein Rechtsanspruch auf finanzielle Unterstützung ist in dieser Situation also gewährleistet. Die Pflegeversicherung ist somit nicht nur für die pflegebedürftige Person, sondern auch für die pflegenden Angehörigen eine wichtige finanzielle Stütze.
Die Pflegeversicherung entlastet vor allem bei zunehmendem Pflegebedarf
Häufig können die Angehörigen die Betreuung des Pflegebedürftigen selbst nicht dauerhaft und zuverlässig organisieren und – trotz aller Bemühungen – auch nicht gewährleisten, dass der Betroffene weiterhin in seinem gewohnten Umfeld wohnen bleiben kann. Dann können die Angehörigen auf die Leistungen der Pflegeversicherung zurückgreifen. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil Angehörige und Freunde die Betreuung anfänglich noch sicherstellen können. Doch sobald der Pflegebedarf zunimmt, stoßen viele Pflegende an ihre zeitlichen und körperlichen Grenzen.
Durch eine Aufstellung Ihrer zeitlichen und finanziellen Ressourcen (siehe Wie stellen Sie den individuellen Betreuungs- und Pflegebedarf fest?) erhalten Sie einen Überblick über Ihre eigene Leistungsfähigkeit. Finanzielle Unterstützung erhalten Sie zudem von der Pflegeversicherung, die der jeweiligen Krankenkasse angegliedert ist. Die Pflegeversicherung übernimmt eine ganze Reihe von Leistungen, die zum Teil auch miteinander kombiniert werden können. Sie übernimmt zwar nicht alle anfallenden Kosten, aber ein guter Teil Ihrer Ausgaben lässt sich so refinanzieren.
Sie sollten immer auch daran denken, dass sich die Leistungen der Pflegeversicherung – insbesondere mit den letzten Novellen – deutlich verbessert haben. Kaum ein anderes Land auf der Welt verfügt über eine solche Versicherungsstruktur mit den abrufbaren Leistungen, wie sie in Deutschland existiert.
Wie können Sie Pflegegrad bzw. Pflegegeld beantragen?
Sie können Leistungen der Pflegekasse ganz formlos beantragen: Rufen Sie einfach bei Ihrer Pflege- oder Krankenkasse an oder schreiben Sie einen formlosen Brief. Daraufhin erhalten Sie von der Pflegekasse ein Antragsformular mit Fragen zu Ihrer bestehenden Situation. Senden Sie das ausgefüllte Formular an den Versicherer zurück. Dieser wird sich anschließend mit Ihnen in Verbindung setzen.
Für eine endgültige Entscheidung muss zunächst begutachtet werden, welcher Pflegegrad bei Ihrem Angehörigen vorliegt. Dazu wird sich der Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) oder MEDICPROOF (nur für Privatversicherte) bei Ihnen melden und einen persönlichen Begutachtungstermin im Haushalt der betroffenen Person vereinbaren. Eine geeignete Fachkraft stellt dann vor Ort im Rahmen einer umfangreichen Begutachtung den tatsächlichen Bedarf an Pflege und Betreuung fest. Den Bescheid bekommen Sie anschließend schriftlich zugestellt.
Berit Darmann
Neukundenberatung
B.A. Pflegeentwicklung & Management
exam. Gesundheits- und Krankenpflegerin
Bei dem Begutachtungstermin geht es darum, dass der Gutachter ein realitätsgetreues Bild vom „Alltagszustand“ der pflegebedürftigen Person erhält. Natürlich geht es auch darum, Missbrauch von Geldern zu vermeiden.
Wichtig ist, dass die betreuungs- bzw. pflegebedürftige Person nicht eine Leistungsfähigkeit vorgibt, die der Realität im gelebten Alltag längst nicht mehr entspricht – allein schon in ihrem eigenen Interesse.
Kurz vor dem anstehenden „hohen Besuch“ noch schnell die Wohnung auf Hochglanz bringen, weil man sonst ja keinen Fremden ins Haus lassen mag, ist in dieser Situation nicht zielführend! Die Gutachter sollen einen durchweg realistischen Eindruck davon erhalten, inwiefern die pflegebedürftige Person allein in der Lage ist, ihren Alltag noch zu bewältigen (Alltagskompetenz), und in welchen Bereichen wie viel Unterstützung notwendig ist.
Die verbindliche Einschätzung des zu erwartenden Pflegegrades nimmt allein die Pflegekasse vor
Doch mithilfe eines Pflegegradrechners im Internet können Sie vorab selbst schon herausfinden, welcher Pflegegrad voraussichtlich vorliegt. Das Ergebnis können Sie dann als Vorbereitung bzw. als Gesprächsgrundlage für den Begutachtungstermin verwenden. Hier können Sie eine unverbindliche Selbsteinschätzung vornehmen.
Rosalia Jacome
Teamleitung Finanzen
Dipl. Kauffrau
Besteht der Verdacht auf Pflegebedürftigkeit, sollten Sie umgehend einen entsprechenden Antrag auf Pflegebedürftigkeit stellen, da die Leistungen bei Genehmigung des Antrags rückwirkend bzw. sogar schon ab dem ersten Tag des Monats gezahlt werden, in dem der Antrag gestellt wurde, auch wenn dieser zum Beispiel erst am Ende des Monats eingereicht wurde.
Die Pflegekasse ist verpflichtet, innerhalb von 5 Wochen nach Antragstellung (basierend auf dem Posteingangsdatum des Antragformulars) über den Antrag auf Pflegegrad zu entscheiden und die Entscheidung dem Antragsteller mitzuteilen. Geschieht dies nicht rechtzeitig, hat der Antragsteller ein Anrecht auf 70€ Entschädigung pro begonnene Woche der Verzögerung.
Wo können Sie sich bei der Antragstellung helfen lassen?
Es ist nicht immer einfach, Anträge auszufüllen. Auch der Antrag auf Pflegegeld enthält viele Begriffe und Angaben, die Sie womöglich nicht auf Anhieb verstehen. Auch müssen Sie den Pflegebedarf einschätzen, was manchmal schwierig sein kann. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, sich beim Ausfüllen des Antrags helfen zu lassen. Es gibt viele Institutionen, die Sie professionell beraten und Ihnen bei der Antragstellung helfen können: Ihr nächster Pflegestützpunkt, ein Sozial- oder Wohlfahrtsverband oder eine Pflegeberatungsstelle. Ihre Pflegekasse kann Sie ebenfalls beim Ausfüllen unterstützen. Sie haben sogar einen gesetzlichen Anspruch darauf. Fragen Sie bei Ihrer Pflegekasse nach Ihrem Ansprechpartner in dieser Angelegenheit. Auch die Experten von Pflege zu Hause Küffel beantworten gerne Ihre Fragen zur Antragstellung.
Widerspruch einlegen bei Ablehnung des Antrages
Haben Sie eine Ablehnung des Pflegegrades erhalten? Dann lohnt es sich, Widerspruch einzulegen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Antrag auf Widerspruch durchkommt, liegt bei ca. 95 Prozent! Die Erfolgsquote ist also sehr hoch. Fast ein Drittel aller Bescheide werden abgelehnt, doch nur 7 Prozent der Pflegebedürftigen legen Widerspruch ein.
Prüfen Sie den Ablehnungsbescheid genau, wenn Sie mit der Beurteilung nicht einverstanden sind, denn er kann fehlerhaft sein. Sie haben ab dem Eingangsdatum des Ablehnungsbescheides einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen.
So legen Sie Widerspruch ein:
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Senden Sie zunächst einfach ein formloses Schreiben an Ihre Pflegekasse, dass Sie dem abschlägigen Bescheid widersprechen. Falls Ihnen das MDK-Gutachten noch nicht vorliegt, fordern Sie dieses am besten gleich mit an. Eine inhaltliche Begründung können Sie dann anschließend noch nachreichen. Dafür können Sie sich unter anderem an folgenden Fragen orientieren:
- Gibt es Hilfebedarf, den die Gutachter nicht dokumentiert haben?
- Wurden Diagnosen oder Befunde nicht miterfasst?
- Wurde die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person zu hoch eingeschätzt?
- Haben Sie ein Pflegetagebuch mit korrekten Angaben geführt, die Ihre Einschätzung unterstützen?
- Die Pflegekasse prüft die fachliche Begründung und entscheidet entweder „nach Aktenlage“, also anhand Ihrer eingereichten Unterlagen, oder aber – was am häufigsten der Fall ist – sie lässt ein Zweitgutachten durch den MDK bzw. MEDICPROOF erstellen.
- Wird Ihrem Widerspruch stattgegeben, erhalten Sie einen neuen Bewilligungsbescheid mit den Leistungen entsprechend der aktualisierten Einschätzung.
Sollte Ihrem Widerspruch nicht stattgegeben werden, haben Sie noch die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen.
Beachten Sie: Bereiten Sie sich auf die Widerspruchsbegutachtung gut vor. Sie sollten wissen, worauf es bei diesem Termin ankommt und alle wichtigen Unterlagen zur Hand haben. Auch die pflegebedürftige Person selbst sollte verstehen, wie wichtig dieser Termin ist und sich so verhalten, wie es ihrer tatsächlichen Pflegebedürftigkeit entspricht, damit sich die Gutachter ein realistisches Bild machen können.
„Eileinstufung“ in dringenden Fällen – Eilbegutachtungsverfahren
In sehr dringenden Fällen, beispielsweise wenn die pflegebedürftige Person kurzfristig aus dem Krankenhaus entlassen wird, muss eine schnelle Entscheidung zur Einschätzung der Pflegebedürftigkeit getroffen werden. Es findet dann eine sogenannte Eileinstufung des Pflegegrades statt. Der Gutachter ermittelt den Pflegegrad in solchen Fällen meist nach Aktenlage. Die Pflegekassen genehmigen die Eileinstufung zunächst nur vorläufig und überprüfen sie später noch einmal. Das heißt, eine endgültige Begutachtung findet erst im Nachhinein – entweder dann im eigenen Zuhause oder im Heim – statt. Auch diese Begutachtung wird durch den MDK durchgeführt. Dabei kann es vorkommen, dass der zuvor per Aktenlage festgestellte Pflegegrad wieder aberkannt wird oder ein anderer Pflegegrad durch den MDK ermittelt wird.
TIPP!
Legen Sie Widerspruch ein, wenn Ihnen der vorläufige Pflegegrad wieder aberkannt wurde. Die Chancen stehen gut, dass Sie danach wieder in den vorläufig bewilligten Pflegegrad eingestuft werden.
Pflegegeld und Pflegeleistungen – das steht Ihnen zu!
Mit einem anerkannten Pflegegrad haben pflegebedürftige Personen Anspruch auf verschiedene Leistungen durch die Pflegeversicherung. Die Art und Höhe der Leistungen sind abhängig vom Pflegegrad – wie dieser ermittelt wird, erfahren Sie in unserem Ratgeber zum Thema Pflegebedürftigkeit. Hier stellen wir Ihnen die verschiedenen Leistungen vor, die von der Pflegekasse angeboten werden.
Pflegegeld und Pflegeleistungen – Auf diese Leistungen der Pflegeversicherung haben Sie Anspruch bei festgestellter Pflegebedürftigkeit!
Pflegegeld: Die Geldleistung zur Kompensation der Pflege
Die bekannteste Leistung der Pflegekasse ist das Pflegegeld. Es kann von jedem mit Pflegegrad 2 oder höher beantragt werden, der zu Hause von Angehörigen oder Freunden gepflegt wird. Mit dem „Pflegegeld für selbst beschaffte Hilfen“, können Pflegebedürftige den Einsatz der Pflegepersonen für die anfallende Pflege und Betreuung honorieren.
Pflegegeld wird monatlich an den Antragssteller überwiesen und hängt von der Höhe des Pflegegrades ab:
- Pflegegrad 2: 332 €
- Pflegegrad 3: 573 €
- Pflegegrad 4: 765 €
- Pflegegrad 5: 947 €
Pflegeleistungen: Weitere pflegegradabhängige Unterstützung für pflegebedürftige Personen
Neben dem Pflegegeld, über das Pflegebedürftige frei verfügen können, gibt es weitere Leistungen der Pflegekasse, die für spezifische Verwendungszwecke bestimmt sind.
Pflegesachleistungen: Werden Pflegebedürftige zusätzlich durch einen ambulanten Pflegedienst betreut, können ambulante Pflegeleistungen beantragt werden. Die monatliche Abrechnung mit der Pflegekasse übernimmt der Pflegedienst.
Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
760 € | 1.431 € | 1.778 € | 2.200 € |
Tages-und Nachtpflege: Zur Ergänzung der häuslichen Pflege ist eine teilstationäre Betreuung tagsüber oder in der Nacht möglich. Der monatliche Betrag wird mit der Pflegekasse abgerechnet, darüber hinausgehende Kosten (z.B. Verpflegung) müssen von den Pflegebedürftigen getragen werden.
Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
689 € | 1.298 € | 1.612 € | 1.995 € |
Kurzzeitpflege: Mit dem jährlichen Betrag für eine Kurzzeitpflege soll eine vollständige Betreuung bei pflegerischen Engpässen sichergestellt werden. Sie kann für 8 Wochen (56 Tage) im Kalenderjahr in Anspruch genommen werden.
Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
1.774 € | 1.774 € | 1.774 € | 1.774 € |
Verhinderungspflege: Die Verhinderungs- bzw. Ersatzpflege kann im Kalenderjahr für 6 Wochen bzw. 42 Tage beantragt werden, wenn die reguläre Pflegeperson die Pflege für einen bestimmten Zeitraum nicht ausüben kann. Wird die Verhinderungspflege mehr als 8 Stunden pro Tag genutzt, wird sie mit dem Pflegegeld verrechnet.
Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
1.612 € | 1.612 € | 1.612 € | 1.612 € |
Vollstationäre Pflege: Wird eine pflegebedürftige Person in einem Pflegeheim stationär versorgt, gewährt die Pflegekasse monatliche Zuschüsse.
Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
770 € | 1.262 € | 1.775 € | 2.005 € |
Pflegegrad-unabhängige Leistungen: Weitere Leistungen der Pflegekasse
Zusätzlich zu den Leistungen, die mit Pflegegrad 2 und höher beansprucht werden können, gibt es weitere Leistungen, die von jeder pflegebedürftigen Person beantragt werden können.
- Betreuungs- und Entlastungsleistungen: Der Entlastungsbeitrag in Höhe von 125€ monatlich kann von zuhause betreuten Personen zur Entlastung der Pflegeperson in Anspruch genommen werden. Die Dienstleistungen müssen zunächst selbst gezahlt und können dann durch Nachweis der Rechnungen mit der Pflegekasse abgerechnet werden.
- Pflegehilfsmittel: Bis zu 60 € pro Monat stellt die Pflegekasse für Hilfsmittel wie Gehilfen, Rollstühle, Heilmittel und Medikamente zur Verfügung.
- Hausnotruf: Wird ein Hausnotruf in der Wohnung installiert, bezuschusst die Pflegekasse diesen mit einmalig 10,49€ für die Installation sowie 23€/Monat für den laufenden Betrieb.
- Wohnraumanpassung: Um die Wohnung baulich an veränderte Bedürfnisse anzupassen, (Treppenlift, barrierefreie Bad-Gestaltung u.ä.), gewährt die Pflegekasse einen Zuschuss von 4000€ pro Maßnahme. Bei einer Zustandsverschlechterung der pflegebedürftigen Person und daher weiteren nötigen Umbaumaßnahmen kann dieser Zuschuss erneut beantragt werden.
- Pflegekurse für Angehörige: Pflegekurse können von pflegenden Angehörigen absolviert werden, um Grundlagen und Vorgehensweisen in der Pflege zu erlernen. Dadurch erhalten Pflegepersonen nicht nur Informationen, sondern auch mehr Sicherheit im Pflegealltag. Die Kurskosten trägt die Pflegekasse.
Haben Sie noch Fragen zu den verschiedenen Pflegeleistungen oder möchten Sie mehr darüber wissen, wie sich beispielsweise Kurzzeit- und Verhinderungspflege optimal kombinieren lassen? Sprechen Sie uns an – wir beraten Sie gern!
Der Entlastungsbeitrag
Die häusliche Pflege von Angehörigen verlangt pflegenden Personen – meist aus dem Bekannten- bzw. Verwandten-Kreis – eine Menge ab. Um diese bei ihrer Arbeit zu entlasten und gleichzeitig ein hohes Qualitätsniveau häuslicher Pflege sicherzustellen, gibt es das Modell des sogenannten Entlastungsbetrags. So kann der Entlastungsbetrag die Pflege von Angehörigen etwa dadurch vereinfachen, dass unterschiedlichste qualifizierte Leistungen rund um die Versorgung und Betreuung pflegebedürftiger Personen finanziert werden.
Welche Voraussetzungen für einen Anspruch auf den Betrag vorliegen müssen, wie hoch der Betrag ausfällt und wie dieser am besten mit weiteren Leistungen kombiniert werden kann, erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Wenn nach der Lektüre noch Fragen offen sein sollten, melden Sie sich gern bei uns – unsere Experten helfen Ihnen gerne weiter.
Entlastungsbetrag – was ist das?
Pflegebedürftige, die in häuslicher Umgebung gepflegt und versorgt werden, haben Anspruch auf zusätzliche Unterstützung, den sogenannten Entlastungsbetrag, in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich.
Der Entlastungsbetrag in der Pflege ist eine Leistung der Pflegeversicherung. Zweck des Entlastungsbetrags ist es, pflegende Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zu entlasten sowie die Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags zu fördern (§ 45b SGB XI).
Deshalb darf das Geld nur zweckgebunden eingesetzt werden und steht nicht direkt zur Verfügung. Dabei stehen vorrangig die Finanzierung bzw. die Kostenübernahme verschiedener pflegerischer Leistungen im Fokus. Der Entlastungsbetrag stellt in dem Sinne keine Geldleistung, sondern einen Anspruch auf Kostenerstattung bei Inanspruchnahme bestimmter Pflegeleistungen dar. Hierbei muss es sich um qualifizierte Leistungen nach dem jeweiligen Landesrecht handeln. Der Geldbetrag kann auch dazu genutzt werden, die Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit des Pflegebedürftigen im Alltag zu fördern.
Wann besteht Anspruch auf den Entlastungsbetrag?
Ein Anspruch auf den Entlastungsbetrag besteht dann, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Die antragstellende Person verfügt über einen anerkannten Pflegegrad.
- Die antragstellende Person befindet sich in häuslicher Pflege. Eine solche Pflege zu Hause umfasst sowohl das eigene Zuhause, das Zuhause der Pflegeperson oder eine Pflegeform wie das „Betreute Wohnen“.
Welche Leistungen deckt der Entlastungsbetrag ab?
Konkret kann der Entlastungsbetrag zur Pflege Angehöriger für folgende Leistungen genutzt werden:
- Leistungen der Tages- und Nachtpflege
- Leistungen der Kurzzeitpflege
- Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des § 36 SGB XI (Pflegesachleistungen, Pflegegrade 2 bis 5). Damit gemeint sind Betreuungsleistungen wie Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung, Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität sowie der kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten, Hilfen zur Gestaltung des Alltagslebens, Unterstützung bei psychischen Problemlagen etc.
- Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des SGB XI § 45a, wie Leistungen für die Betreuung von Pflegebedürftigen sowie für die gezielte Entlastung und beratende Unterstützung von pflegenden Angehörigen
Der Entlastungsbetrag ist eine pflegegradunabhängige Leistung. Während Menschen mit Pflegegrad 1 keine Pflegesachleistungen für einen ambulanten Pflegedienst oder Pflegegeld bzw. ambulante Geldleistungen für die Pflege durch Angehörige erhalten, gewährt die Pflegeversicherung auch ihnen den zweckgebundenen ambulanten Entlastungsbetrag, der als Rückerstattung für angefallene Kosten gedacht ist.
Expertentipp!
Sammeln Sie die Rechnungsbelege. Denn Sie müssen diese bei der Pflegekasse einreichen, um die Kosten erstattet zu bekommen.
Wurden die Leistungen des Entlastungsbetrages in einem Kalenderjahr nicht oder nur teilweise ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden.
Niedrigschwellige Betreuungsangebote und ihre Bedeutung
Unter dem Begriff „niedrigschwellige Betreuungsangebote“ sind solche Leistungen zu verstehen, die dazu dienen, bestimmte motorische / kognitive Fertigkeiten von Pflegebedürftigen zu erhalten. Dabei kann es sich um einfachste Tätigkeiten und Übungen handeln:
- Teilnahme an Bewegungsangeboten
- Gemeinsame Besuche bei Ärzten
- Teilnahme an Sing- oder Bastelgruppen
- Gemeinsame Spaziergänge
Diese Angebote sind dementsprechend besonders für Pflegebedürftige mit einer Demenz-Erkrankung oder (progredienten) körperlichen Einschränkungen interessant.
Pflegebedürftige und deren Angehörige sollten aktiv bei der Pflegekasse anfragen und eine Liste mit qualifizierten Anbietern bzw. Leistungen anfordern, die über den Entlastungsbetrag zur Pflege erstattet werden können. So besteht Sicherheit bei der späteren Abrechnung der Leistungen.
Wie hoch ist der Entlastungsbetrag im Pflege-Bereich?
Unabhängig von individuellen Einschränkungen und dem jeweiligen Pflegebedarf hat jede Person mit einem anerkannten Pflegegrad Anspruch auf 125 Euro Entlastungsbetrag für Pflege und entsprechende Unterstützungsangebote zur Verfügung. Dies entspricht einer Gesamtsumme von 1.500 Euro pro Jahr. Der Betrag von 125 Euro steht jeweils monatlich zur Verfügung. Welcher Pflegegrad konkret besteht, spielt dabei keine Rolle.
Die Nutzung des Entlastungsbetrags unterliegt einer klaren Zweckbindung: Er dient der Vergütung oder auch anteiligen Kostenerstattung bei Inanspruchnahme anerkannter Pflege- bzw. Unterstützungs-Angebote. Es besteht kein Anspruch auf vollständige / anteilige Auszahlung des Betrags.
Entlastungsbetrag zur Pflege Angehöriger nutzen – Das gilt es zu beachten
- Leistungen abrechnen lassen
In der Regel gehen die Pflegebedürftigen in Vorleistung, reichen später die Rechnungen bzw. Belege für die erbrachten Pflegeleistungen bei der Versicherung ein und lassen sich diesen Betrag anschließend erstatten.
Darüber hinaus gibt es aber auch die Möglichkeit, die Abrechnung der Leistungen auf die Anbieter zu übertragen. Hierfür ist eine Abtretungserklärung erforderlich. Anschließend kann der Entlastungsbetrag zur Pflege direkt zwischen Dienstleister und Pflegekasse verrechnet werden, ohne dass Versicherte in Vorleistung gehen müssen.
- Leistungen umwidmen
Reicht der Entlastungsbetrag nicht aus, um die Kosten der ambulanten Pflegeleistungen zu decken, kann ein Teil der Pflegesachleistungen entsprechend umgewidmet und genutzt werden. Dies setzt voraus, dass die Pflegesachleistungen nicht vollständig ausgeschöpft werden.
Der Anteil, der zu Gunsten des Entlastungsbetrags zur Pflege Angehöriger umgewidmet werden kann, ist auf maximal 40% gedeckelt. Voraussetzung ist ein anerkannter Pflegegrad 2 oder höher, da für Versicherte mit Pflegegrad 1 kein Anspruch auf Pflegesachleistungen besteht. - Leistungen mitnehmen
Nicht ausgeschöpfte Leistungen aus dem Entlastungsbetrag verfallen nicht. Diese können somit über mehrere Monate oder auch das gesamte Jahr angespart werden. Relevant dafür ist das aktuelle Kalenderjahr.
Es besteht die Möglichkeit, den Entlastungsbetrag für Pflege- und Unterstützungs-Leistungen bis zum Ende des folgenden Kalenderhalbjahres anzusparen. Warten Sie jedoch nicht zulange: Wird der Betrag des Vorjahres nicht bis Ende Juni des Jahres genutzt, verfällt er ersatzlos.
Alle Infos zum Entlastungsbetrag – Pflege zu Hause Küffel berät Sie persönlich bei Fragen
Möchten Sie mehr über den Entlastungsbetrag, die Möglichkeiten der Pflege und die verfügbaren Leistungen erfahren? Gerne beraten wir Sie persönlich und helfen Ihnen dabei, Ihre Entlastungsleistungen optimal einzusetzen.
Angebote zur Unterstützung im Alltag – welche gibt es?
Angebote zur Unterstützung im Alltag sollen pflegende Angehörige entlasten und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und den Alltag weiterhin möglichst selbstständig zu bewältigen.
Das sind mögliche Unterstützungsangebote im Alltag:
- Dienstleister, die Betreuungs- und Entlastungsleistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige vermitteln
- ehrenamtliche Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen, die unter pflegefachlicher Anleitung die Betreuung von Pflegebedürftigen in Gruppen oder in der Häuslichkeit übernehmen
- Übernahme von Beschäftigung, Betreuung und/oder Beaufsichtigung zur Entlastung von pflegenden Angehörigen. Beispiele sind:
- Betreuungsgruppen (zum Beispiel Alzheimergruppen)
- Hilfsdienste zur stundenweisen Entlastung pflegender Angehöriger
- Tagesbetreuung in Kleingruppen oder Einzelbetreuung
- Serviceangebote für haushaltsnahe Dienstleistungen, wie zum Beispiel eine Putzhilfe
- Alltags- und Pflegebegleiter
- Unterstützung der pflegebedürftigen Personen bei der Bewältigung ihres Alltags, wie zum Beispiel des Haushaltes
Beachten Sie: Heben Sie die Belege für diesbezügliche Ausgaben gut auf. Denn die Pflegekasse erstattet Ihnen die Kosten nur, wenn Sie sie auch belegen können.
Sprechen Sie Ihre Pflegekasse an. Diese kann Ihnen eine Liste mit Anbietern in Ihrer Nähe übermitteln.
Wichtig: Die Anbieter müssen zugelassen sein, um mit der Krankenkasse abrechnen zu können.
Tages- und Nachtpflege – Teil eines ganzheitlichen Versorgungskonzeptes
Tages- und Nachtpflege sind sogenannte teilstationäre Pflegeleistungen. Stationäre und häusliche Pflege werden bei diesen Konzepten miteinander kombiniert. So kann die Pflege und Betreuung von Pflegebedürftigen auch dann noch zu Hause sichergestellt werden, wenn die pflegenden Angehörigen eine dauerhafte, lückenlose Betreuung nicht (mehr) leisten können. Damit ergänzt die Tages- und Nachtpflege die ambulante Versorgung. Für die pflegenden Angehörigen ist dies eine große Entlastung. Ein weiterer Vorteil: Eine Unterbringung in einem Heim kann oftmals verhindert oder hinausgezögert werden. Der Pflegebedürftige wird in der Regel zu Hause abgeholt und über einen gewissen Zeitraum in einer stationären Einrichtung betreut. Anschließend wird er wieder nach Hause gebracht.
Beachten Sie: Anspruch auf Leistungen für Tages- und Nachtpflege haben nur Pflegebedürftige mit Pflegegrad 2 bis 5. Personen mit Pflegegrad 1 haben zwar keinen Anspruch, können aber den Entlastungsbetrag (125€) für die Kosten der Tages- und Nachtpflege einsetzen.
Tagespflege-Einrichtung finden Sie in einer rechten großen Anzahl auch regional gut vertreten. Nachtpflege-Einrichtung sind eher theoretisch vorgesehen, lassen sich in der Praxis allerdings kaum finden.
Welche Kosten muss der Pflegebedürftige selbst tragen?
Neben den eigentlichen Pflegekosten fallen regelmäßig zusätzlich Kosten für die sogenannten Hotelkosten (zum Beispiel Kosten für die Unterkunft und Verpflegung) oder auch für Investitionskosten an. Diese muss die pflegebedürftige Person selbst tragen. Sie kann allerdings auch den Entlastungsbetrag von bis zu 125€ für Hotel- und Investitionskosten verwenden. Darüber hinaus sind die Kosten für die Tages- und Nachtpflege als Eigenleistung zu begleichen, sofern der hierfür vorgesehene monatliche Leistungsbetrag der Pflegekasse voll ausgeschöpft wurde.
Investitionskosten sind Kosten, die der Finanzierung von Pflegeheimen dienen, wie Ausgaben für Instandhaltung, Fuhrpark, Büros, Mieten, Pacht etc. Die Investitionskosten werden anteilig auf die Bewohner umgelegt und sind je nach Pflegeheim unterschiedlich hoch – mit zum Teil sehr großen Unterschieden. Ein Vergleich lohnt sich daher. Im Bundesdurchschnitt betragen diese zwischen 200 und 500 Euro monatlich.
Wie Sie verschiedene Leistungen miteinander kombinieren können
Verschiedene Leistungen können auch miteinander kombiniert oder umgewidmet werden. Dann wird es jedoch etwas komplizierter. Rufen Sie beispielsweise Ihr Budget für Pflegesachleistungen nicht komplett ab, können Sie sich den prozentual verbliebenen Anteil als Pflegegeld auszahlen lassen.
Da in der Praxis kein Fall dem anderen gleicht, soll das Thema anhand zweier Fallbeispiele näher erläutert werden. So erfahren Sie anschaulich, wie sich die Leistungen der Pflegeversicherung in unterschiedlichen Phasen der Pflege miteinander kombinieren lassen und so für wertvolle Entlastung sorgen.